Trauerbegleitung als Teil der Unternehmenskultur

Was kann eine Personalabteilung im Trauerfall tun, um den Mitarbeitern und Führungskräften zu helfen? Wie lässt sich Trauerbegleitung als Teil der Unternehmenskultur etablieren?

Ein Mitarbeiter kommt morgens nicht mehr an den Arbeitsplatz, weil er auf dem Arbeitsweg einen tödlichen Unfall erleidet. Die Kollegin, die vor kurzem noch in den Mutterschutz verabschiedet wurde, kommt Wochen später als trauernde Mitarbeiterin an den Arbeitsplatz zurück, weil ihr Kind verstorben ist. Eine muslimische Mitarbeiterin kündigt scheinbar grundlos, nachdem ihr Vater nach langer Krankheit verstorben ist. Und ein ganzes Team ist gelähmt und im Schockzustand, weil ein Mitarbeiter sich auf einem gemeinsamen Projekt am Abend im Hotel das Leben genommen hat.

Diese Liste lässt sich unendlich fortführen und zeigt ganz deutlich, dass Trauer auch vor Unternehmenstüren nicht halt macht. Die meisten Personaler oder Führungskräfte erleben in Ihrer Karriere mehr oder weniger häufig diese Situationen. Dann ist zu hoffen, dass diese Menschen in Leitungsfunktion in einem Unternehmen mit einer guten Trauerkultur und menschlichen Prozessen tätig sind, um im Akutfall angemessen zu reagieren.

Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland durchschnittlich 900.000 Menschen sterben, davon ca. 140.000 im berufsfähigen Alter, wäre es für Arbeitgeber und Vorgesetzte fatal, das Thema Trauer am Arbeitsplatz einfach zu ignorieren. In dieser Zahl fehlt übrigens die große Anzahl an Fehl- und Totgeburten, die für Eltern, manchmal auch die noch berufstätigen Großeltern eine massive Belastung darstellen können. Stirbt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin während der Arbeitszeit oder nimmt sich selbst das Leben, sind die Auswirkungen auf das Team besonders einschneidend. Häufig sind Mitarbeiter extrem enttäuscht vom Verhalten ihrer Vorgesetzten und KollegInnen, die auch aus der Personalabteilung häufig wenig oder keine hilfreichen Antworten finden. Im Falle der oben genannten muslimischen Mitarbeiterin wurde schlichtweg vergessen zu kondolieren. Dass dies eine massive Beleidigung am verstorbenen Vater ist, erfuhren die Kollegen erst sehr viel später. 

Sie kennen das sicher auch – im Unternehmenskontext zählen in erster Linie Produktivität, Ergebnisse und Zahlen, auch wenn die meisten Personalabteilungen viele tolle Konzepte im Bereich Diversity, Work-Life-Balance und vieles mehr entwickeln. Bei Trauer hören die Konzepte leider häufig auf und Ratlosigkeit macht sich breit. Genau das Gegenteil, was Trauernde, aber auch ihre Vorgesetzten und Kollegen jetzt dringend brauchen. Denn diese befinden sich sowohl psychisch als auch physisch oft im Ausnahmezustand. Und hier sind Sie als Personaler oder Führungskraft gefragt, menschlich und individuell zu reagieren. 

Investieren Sie in ein betriebliches Trauermanagement und möglichst einen Krisenplan oder eine Betriebsvereinbarung für die Themen Tod und Trauer am Arbeitsplatz. Trauer ist so individuell wie Menschen verschieden sind. Das heißt, dass manche Menschen sich erstmal in die Arbeit stürzen, weil dort der einzige Ort ist, wo noch Normalität herrscht. Andere ziehen sich zurück oder fallen möglicherweise völlig aus dem Leben. Trauernde fragen selten um Hilfe, wünschen sich aber mehrheitlich zumindest eine ehrliche Anteilnahme. Gerade im Unternehmenskontext neigen Menschen dazu, ihre Trauer völlig zu verdrängen – bloß nicht auffallen, selbst jetzt möchte man immer noch zeigen, dass man gut funktioniert. In der Trauer greifen diese Verdrängungsmechanismen jedoch langfristig nicht und zeigen sich häufig in Krankmeldungen und langfristigen Ausfällen. Gerade bei schweren Verlustsituationen braucht die Rückkehr ins Leben Zeit, denn das alte Leben ist nie mehr das gleiche und vieles muss erst neu strukturiert oder aufgebaut werden.

Wie kann ich als HR Manager denn nun trauernde Kolleginnen und Kollegen unterstützen?

Die schlechte Nachricht: es gibt keine allgemein gültige Gebrauchsanleitung, die jetzt abgearbeitet werden kann, jedes Unternehmen tut gut daran, eigene Prozesse und Rituale zu entwickeln und sich zu überlegen, an welchen Stellen, welche Werte wichtig sind und wie flexibel Sie reagieren möchten. Die gute Nachricht ist aber, dass es sehr wohl zahlreiche Möglichkeiten gibt, die in der Regel dankend angenommen werden. Einige davon finden Sie unterstehend als Anregung für erste Schritte. Und der Schlüssel für eine Trauerkultur ist immer Ihre persönliche Haltung! Hören Sie zu und fragen Sie oder die zuständige Führungskraft aktiv nach, was Sie für trauernde Kolleginnen und Kollegen tun können. Trauer ist nicht ansteckend und dennoch rutschen diese Menschen viel zu oft in die Isolation, weil das Umfeld Angst hat, etwas falsches zu sagen. Das Ignorieren und Schweigen beschreiben Hinterbliebene oft als einen der schlimmsten Momente im Trauerprozess und dieser begegnet ihnen leider sehr häufig sowohl privat als auch am Arbeitsplatz. In einem FAZ-Artikel im April 2016 las ich, dass Facebook Managerin Sheryl Sandberg, die mit 45 Jahren überraschend Witwe wurde, berichtet, dass man ihr nach dem Tod ihres Mannes auf den Unternehmensfluren regelrecht ausgewichen sei. „Vielen meiner Kollegen stand die Angst ins Gesicht geschrieben, wenn ich mich ihnen genähert habe.“ Wenn Führungskräfte und Personaler mit gutem Beispiel voran gehen, Trauende nicht zu ignorieren und achtsam zu agieren, überträgt sich das auch auf die gesamte Unternehmenskultur.

Nutzen Sie alle Möglichkeiten und bieten Sie flexible Arbeitszeitmodelle an!

Trauerprozesse sind individuell und dauern oft länger als in unserer schnelllebigen Gesellschaft erwartet. Wer Raum für seinen Trauerprozess bekommt, geht aber meist deutlich gestärkt aus dieser schweren Lebenskrise hervor und ist später sehr loyal gegenüber dem Arbeitgeber. Trauer ist nicht linear; sie geht durch viele Höhen und Tiefen. Was heißt das konkret? Als Unternehmen legen Sie die Regeln für Wiedereingliederung und flexible Arbeitszeitmodelle fest. Machen Sie genau jetzt davon auch Gebrauch und überlegen Sie gemeinsam mit dem Trauernden, wieviel Zeit er nun braucht, um alle Dinge zu regeln und sich ggf. immer wieder Auszeiten zu nehmen, auch wenn die Urlaubstage begrenzt sind. Home Office hilft gerade Elternteilen häufig sehr, wenn die Betreuung der Kinder nach dem Tod eines Elternteils ins Wanken gerät. Diese Regelungen gilt es von Zeit zu Zeit neu zu besprechen bis wieder ein normaler Arbeitsalltag möglich ist.

Auch finanzielle Unterstützung können trauernden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Druck in vielerlei Hinsicht nehmen. Am Ende entscheiden Sie als Unternehmen darüber, wie sehr Sie Ihren Arbeitnehmern entgegen kommen wollen.

Legen Sie fest, wer die Kommunikation intern und extern übernimmt.

Eine Anwältin erzählte mir, das sie nach dem Tod des Vaters schlussendlich gekündigt hat, weil das Unternehmen nicht in der Lage war, in ihren Augen und für ihre Bedürfnisse angemessen zu reagieren. Sie erzählt: „Als ich nach fast zwölf Wochen Arbeitsunfähigkeit wieder an meinen Arbeitsplatz zurück kam, hat keine einzige Mitarbeiterin auch nur einen Ton über den Tod meines Vaters verloren, kein Beileid, gar nichts. Und ich hatte mir vorher noch Gedanken gemacht, wie es wohl sein würde und ob ich in Tränen ausbrechen würde, wenn sie mich dann ansprechen.“ Die Kanzlei hatte schlichtweg keine Trauerkultur entwickelt, denn weder die beschriebenen langjährigen Mitarbeiterinnen fanden mündlich oder schriftlich Worte noch die Vorgesetzte oder die Personalabteilung. 

Für Mitarbeiter, die vom Tod eines nahestehenden Menschen während der Arbeitszeit erfahren, sollten grundsätzlich Möglichkeiten des begleiteten Rückzugs geschaffen werden, bis dieser in der Lage ist, nach Hause oder zum Ort des Geschehens zu fahren oder gefahren zu werden. Bleiben Sie danach unbedingt in Kontakt und erfragen Sie, wie es demjenigen geht oder wie Sie unterstützen können. 

Vermeiden Sie bei Ihrer Kondolenz unnötige Floskeln, um die Trauer kleiner zu machen oder Trauersprüche aus dem Internet. Bieten Sie nur dann Unterstützung an, wenn Sie diese auch einhalten können. Verwenden Sie ein Kondolenzbuch, eine Erinnerungsbox oder ein Album, um die Anteilnahme der Kolleginnen und Kollegen an den Trauernden zu sammeln. Führungskräfte sind in der Regel extrem dankbar, wenn die Personalabteilung solche Dinge vorhält und diese nicht extra auf die Schnelle organisiert werden müssen. 

Achten Sie auf individuelle Traueranzeigen bzw. Nachrufe und verwenden Sie bitte keine Standardanzeigen mit gleichem Text für jeden Fall. Schalten Sie die Firmenanzeige nie vor der Familienanzeige! Und achten Sie auf den Absender – nicht das Unternehmen trauert, es trauern immer die Mitarbeiter, die Geschäftsleitung oder der Vorstand. Eine Trauerbegleiterkollegin berichtete mir einmal, wie ein Unternehmen die gleiche Todesanzeige mit identischem Text für zwei verschiedene verstorbene Mitarbeiter in der Tageszeitung schaltete – für die Angehörigen ein Schlag ins Gesicht und in der Außenwahrnehmung peinlich und unangemessen.

Gestalten Sie mit den Mitarbeitern den Abschied, denn genau hier wird Trauerkultur lebendig

Manchmal ist eine interne Trauerfeier sinnvoll, gerade wenn die Teilnahme an der Beerdigung nicht möglich ist oder auch einfach, weil es meiner Erfahrung nach das Miteinander im Team stärkt und das Geschehene leichter abschließen lässt. Stimmen Sie die Teilnahme von Mitarbeitern an der Beerdigung mit den Angehörigen im Vorfeld ab, denn manchmal findet die Beisetzung im kleinsten Familienkreis statt. Hinterfragen Sie bei den Angehörigen, ob und in welchen Farben ein Kranz oder ein Blumengesteck erwünscht ist oder eher Spenden vorgesehen sind.

In internationalen Unternehmen ein besonders wichtiger Aspekt sind kulturelle und religiöse Unterschiede

Informieren Sie sich beim Todesfall eines Mitarbeiters oder beim Tod eines Angehörigen Ihres Mitarbeiters über die besonderen kulturellen und religiösen Unterschiede. Die Teilnahme an der Beerdigung sollte grundsätzlich mit den Angehörigen abgestimmt sein, dies gilt auch für Bestattungen anderer Kulturen, da hier manchmal Frauen nicht zugelassen sind oder weitere Vorgaben zu beachten sind. Beachten Sie, dass zum Beispiel im Islam die persönliche Kondolenz der schriftlichen ganz klar zu bevorzugen ist. Meiner Erfahrung nach können wir viel von der Trauerkultur in anderen Ländern lernen und auch das ein oder andere für uns übertragen. 

Führungskräften und Personalverantwortlichen kann ich nur sehr raten, sich dem Thema Trauer am Arbeitsplatz anzunehmen. Aus menschlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht. Es gibt professionell ausgebildete Trauerbegleiter beim Bundesverband für Trauerbegleitung e.V., die sich zu diesem Thema spezialisiert haben und Sie gerne dabei unterstützen, eine Trauerkultur sowie einen Krisenplan in Ihrem Unternehmen zu entwickeln. 

 

Mein Buch zum Thema:

Trauer am Arbeitsplatz: Sprachlosigkeit überwinden – Fürsorgepflicht wahrnehmen – Trauerkultur entwickeln / Patmos Verlag