Wenn die Themen Sterben, Tod und Trauer plötzlich im Unternehmensalltag ankommen, sind Unternehmen und Mitarbeitende häufig überfordert. Denn Menschen, die gerade einen Angehörigen verloren haben, können oft nicht mehr wie gewohnt weiter arbeiten. Trauer macht auch vor Unternehmenstüren nicht halt. Der Arbeitsalltag muss jedoch irgendwie weitergehen, längere Ausfälle können und wollen sich die meisten Firmen nicht leisten. Wenn ein Todesfall innerhalb des Unternehmens eintritt, sind die Auswirkungen auf das ganze Team noch weitreichender. Eine Krisenintervention kann dann notwendig sein. Unsicherheit und Hilflosigkeit sowie die eigene Trauer können lähmend auf die Menschen wirken. Ein normaler Arbeitsalltag ist dann nur schwer umzusetzen. Dabei sollte genau jetzt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers greifen und dieser wissen, was zu tun ist.
Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland durchschnittlich 900.000 Menschen sterben, davon ca. 140.000 im berufsfähigen Alter, wäre es für Arbeitgeber und Vorgesetzte fatal, das Thema Trauer am Arbeitsplatz einfach zu ignorieren. In dieser Zahl fehlt übrigens die große Anzahl an Fehl- und Totgeburten, die für Eltern, manchmal auch die noch berufstätigen Großeltern eine massive Belastung darstellen können. Stirbt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin während der Arbeitszeit oder nimmt sich selbst das Leben, sind die Auswirkungen auf das Team besonders einschneidend. Häufig sind Mitarbeiter extrem enttäuscht vom Verhalten ihrer Vorgesetzten und KollegInnen. Diese Enttäuschung finden wir nicht nur im Arbeitskontext, aber gerade hier wird besonders deutlich, wie schwer der Spagat ist, Prozesse weiter am Laufen zu halten und dabei menschlich und empathisch zu agieren. Denn im Unternehmenskontext zählen Produktivität, Ergebnisse und Zahlen. Genau das Gegenteil, was Trauernde meist im Fokus haben. Denn diese befinden sich sowohl psychisch als auch physisch im Ausnahmezustand.
Es gilt, sich darüber bewusst zu sein, dass in dem Moment, in dem belastete Mitarbeiter das Unternehmen betreten, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers greifen sollte. Und es ist für alle Beschäftigten entlastend zu wissen, dass im Krisenfall die Organisation einer Personalabteilung funktioniert und es jemanden gibt, der weiß, was zu tun ist. Deshalb empfehle ich Unternehmen, in ein betriebliches Trauermanagement zu investieren und einen Krisenplan oder eine Betriebsvereinbarung für die Themen Tod und Trauer am Arbeitsplatz zu erstellen. Schulen Sie Führungskräfte und Personalverantwortliche für den Ernstfall und halten Sie externe Kontaktlisten von Trauerbegleitern oder Kriseninterventionsteams bereit, die dann zügig eingesetzt werden können.
Gerne möchte ich Ihnen einen kurzen Einblick in Trauerprozesse geben, um klar zu machen, was Trauernde brauchen und warum. Trauer ist eine natürliche Reaktion auf Verluste und sie ist so normal wie Freude oder Wut. Für die Unterstützung Trauernder ist das Umfeld besonders wichtig. Normale Trauerreaktionen können Schmerzen, Konzentrationsprobleme, Erschöpfung, sozialer Rückzug, Ruhelosigkeit, ein starkes Redebedürfnis, eine neue Sinnsuche und vieles mehr gehören. Lauter Reaktionen, die gerade bei der Arbeit zu großen Ausfällen und Schwierigkeiten führen können. Trauer ist sehr individuell, manche Menschen stürzen sich in die Arbeit, weil dort der einzige Ort ist, wo noch Normalität herrscht. Andere ziehen sich zurück oder fallen möglicherweise völlig aus dem Leben. Trauernde fragen selten um Hilfe, wünschen sich aber mehrheitlich zumindest eine ehrliche Anteilnahme. Gerade im Unternehmenskontext neigen Menschen dazu, ihre Trauer völlig zu verdrängen. In der Trauer greifen diese Verdrängungsmechanismen langfristig nicht und zeigen sich häufig in Krankmeldungen und langfristigen Ausfällen. Denn Trauer zu durchleben ist ein gesunder Prozess – es gibt keinen Weg an ihr vorbei sondern es gilt einen Weg zu finden, wie man auch weiterhin damit leben kann. Gerade bei schweren Verlustsituationen braucht die Rückkehr ins Leben Zeit, denn das alte Leben ist nie mehr das gleiche und vieles muss erst neu strukturiert oder aufgebaut werden.
Ganz konkret möchte ich Ihnen ein paar Ideen und Handlungsempfehlungen auf die häufigsten Fragen in meinen Beratungen und Seminaren anbieten. Weitere detaillierte Hilfestellungen auch zu weiteren Themen wie Erstellung eines Krisenplanes, Umgang mit pflegenden Mitarbeitern, Suizid, rechtliche Fragen und vieles mehr finden Sie in meinem Buch „Trauer am Arbeitsplatz“, das am 10. Februar im Patmos Verlag erscheint.
Wie kann ich trauernde Kolleginnen und Kollegen unterstützen?
Besonders wichtig ist es, nicht in Sprachlosigkeit zu verfallen. Fragen Sie aktiv nach, was Sie für trauernde Kolleginnen und Kollegen tun können. Holen Sie den Trauernden gegebenenfalls aus der Isolation. Viele Hinterbliebene werden aus Angst, etwas Falsches zu sagen, nicht mehr angesprochen. Das geht soweit, dass diese nicht mehr gefragt werden, ob sie zum Essen mitkommen, dass KollegInnen dem Trauernden aus dem Weg gehen, nur um nichts sagen zu müssen. Das Ignorieren und Schweigen beschreiben Hinterbliebene oft als einen der schlimmsten Momente im Trauerprozess und dieser begegnet ihnen leider sehr häufig sowohl privat als auch am Arbeitsplatz.
Trauerprozesse sind individuell und dauern oft länger als in unserer schnelllebigen Gesellschaft erwartet. Wer Raum für seinen Trauerprozess bekommt, geht aber meist deutlich gestärkt aus dieser schweren Lebenskrise hervor. Trauer ist nicht linear; sie geht durch viele Höhen und Tiefen. Haben Sie Verständnis dafür, wenn auch nach vermeintlich längerer Zeit der Trauerprozess noch nicht abgeschlossen ist. Gerade Jahres- und Todestage, Geburtstage und Weihnachten sind für Trauernde häufig deutlich schwerer zu bewältigen.
Fragen Sie auch nach einigen Wochen oder Monaten noch einmal nach, wie es Betroffenen mittlerweile geht und ob weitere Unterstützung benötigt wird. Sie müssen nicht die perfekten Worte finden! Aber Sie sollten zuhören und für Entlastung sorgen, indem Sie Aufgaben umverteilen und personelle Unterstützung einbinden.
Wiedereingliederungsangebote, Auszeiten, aber auch finanzielle Unterstützung können trauernden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Druck in vielerlei Hinsicht nehmen. Nutzen Sie bestehende flexible Arbeitszeitmodelle, um den Wiedereinstieg individuell unterstützen zu können oder überdenken Sie Ihre bestehenden Angebote. Am Ende entscheiden Sie als Führungskraft darüber, wie sehr Sie Ihren Arbeitnehmern entgegen kommen wollen.
Legen Sie fest, wer die Kommunikation intern und extern übernimmt.
Informieren Sie die unmittelbaren Kolleginnen und Kollegen zeitnah und direkt vom Tod eines Mitarbeiters sowie möglichst umfassend und mit persönlichen Worten.
Legen Sie so schnell wie möglich fest, wer den Kontakt zu den Hinterbliebenen und den direkten Kollegen hält und wer die Kunden informiert, wenn dies notwendig ist.
Klären Sie, wann und wie die Presse informiert wird, sollte es sich um einen bekannten Mitarbeiter handeln oder um einen Unfall, der möglicherweise öffentlich wird. Halten Sie sich dann unbedingt mit Mutmaßungen und Spekulationen zurück.
Wenn der Tod am Arbeitsplatz eintritt, haben Sie im besten Fall einen vorher ausgearbeiteten, gut kommunizierten Krisenplan, der nun greift. Wenn ein Unfall psychische Folgen für die Mitarbeiter haben kann, leiten Sie bitte unbedingt seelsorgerische Unterstützungsmaßnahmen ein, die auch zu einem späteren Zeitpunkt immer wieder abgerufen werden können.
Versäumen Sie auf keinen Fall zu kondolieren!
Wenn Ihnen die Worte fehlen, drücken Sie dies genau so aus. Besprechen Sie, ob Sie als Team eine gemeinsame Trauerkarte versenden möchten und ob eine Teilnahme an der Beisetzung gewünscht wird. Dies muss unbedingt vorher mit den Angehörigen abgestimmt werden. Kleine Zeichen der Anteilnahme, wie ein Blumenstrauß, ein passendes Buch, eine Karte oder ein Stück Kuchen finden häufig große Dankbarkeit bei den Trauernden.
Beachten Sie, dass nicht zu kondolieren in manchen Kulturkreisen eine Beleidigung des Verstorbenen bedeuten kann. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie die Betreffenden direkt und drücken Sie dabei auch ihre Unsicherheit aus.
Vermeiden Sie bei Ihrer Kondolenz unnötige Floskeln, um die Trauer kleiner zu machen oder Trauersprüche aus dem Internet. Bieten Sie nur dann Unterstützung an, wenn Sie diese auch einhalten können. Verwenden Sie ein Kondolenzbuch, eine Erinnerungsbox oder ein Album, um die Anteilnahme der Kolleginnen und Kollegen an den Trauernden zu sammeln.
Achten Sie auf individuelle Traueranzeigen bzw. Nachrufe und verwenden Sie bitte keine Standardanzeigen mit gleichem Text für jeden Fall. Schalten Sie die Firmenanzeige nie vor der Familienanzeige! Und achten Sie auf den Absender – nicht das Unternehmen trauert, es trauern immer die Mitarbeiter, die Geschäftsleitung oder der Vorstand.
Team- und Einzelgespräche anbieten
Sterben Kolleginnen oder Kollegen, wird das Team in besonderer Weise belastet. Geben Sie den einzelnen Teammitgliedern Raum, um ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Eine neutrale Moderation kann hier hilfreich sein. Holen Sie sich im Falle eines Suizids unbedingt Unterstützung, da manchmal im Team belastende Schuldgefühle entstehen können.
Gestalten Sie mit den Mitarbeitern den Abschied
Manchmal ist eine interne Trauerfeier sinnvoll, gerade wenn die Teilnahme an der Beerdigung nicht möglich ist oder auch einfach, weil es meiner Erfahrung nach das Miteinander im Team stärkt und das Geschehene leichter abschließen lässt.
Stimmen Sie die Teilnahme von Mitarbeitern an der Beerdigung mit den Angehörigen im Vorfeld ab, denn manchmal findet die Beisetzung im kleinsten Familienkreis statt.
Hinterfragen Sie bei den Angehörigen, ob ein Kranz oder ein Blumengesteck erwünscht ist oder eher Spenden vorgesehen sind.
Der Arbeitsplatz des Verstorbenen
Stellen Sie ein Foto auf, legen Sie ein Kondolenzbuch oder eine Kondolenzmappe aus, stellen Sie vielleicht einen Blumenstrauß dazu oder auch eine Kerze.
Gehen Sie achtsam mit der Frage um, wann der Arbeitsplatz des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin aufgelöst werden kann und stimmen Sie dies mit den betroffenen Kollegen ab. Wenn möglich geben Sie sich Zeit, bis an dem Arbeitsplatz des Verstorbenen wieder jemand sitzt. Häufig kommt nach einer Weile von ganz alleine die Lösung, indem dann ein neuer Mitarbeiter dort sitzt oder sich jemand aus anderen Gründen umsetzt.
Trauer um ein ungeborenes oder neugeborenes Kind
Es ist leider sehr, sehr häufig ein großes Tabuthema und ist doch besonders einschneidend. Denn auch ein ungeborenes oder totgeborenes Kind hat einen Platz im Leben seiner Eltern. Die Trauer darum wird die Eltern ein Leben lang begleiten. Fragen Sie deshalb, wie es ihnen geht, auch wenn es gerade beim Tod von Kindern besonders schwer fällt. Vergessen Sie dabei niemals die Väter! Denken Sie daran zu kondolieren und der Trauer den gleichen Raum zu geben, als wenn ein Erwachsener verstorben wäre.
Besprechen Sie vor Rückkehr der Eltern, was im Kollegenkreis kommuniziert werden darf und was nicht. Eine hilfreiche Geste ist auch, die Eltern auf ihre Ansprüche in Form von Elterngeld, Kindergeld, Elternzeit hinzuweisen.
Kulturelle und religiöse Unterschiede
Informieren Sie sich beim Todesfall eines Mitarbeiters oder beim Tod eines Angehörigen Ihres Mitarbeiters über die besonderen kulturellen und religiösen Unterschiede. Die Teilnahme an der Beerdigung sollte grundsätzlich mit den Angehörigen abgestimmt sein, dies gilt auch für Bestattungen anderer Kulturen, da hier manchmal Frauen nicht zugelassen sind oder weitere Vorgaben zu beachten sind.
Beachten Sie, dass zum Beispiel im Islam die persönliche Kondolenz der schriftlichen ganz klar zu bevorzugen ist.
Wenn Führungskräfte trauern
Trauen Sie sich, sich Hilfe zu holen, auch Sie müssen das nicht alleine schaffen.
Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Trauer, auch wenn Sie in einer verantwortungsvollen Position sind. Achten Sie gut auf Ihre individuellen und ganz persönlichen Bedürfnisse.
Informieren Sie Ihr Team und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf der Führungsebene, wenn Sie nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten oder Ihre Arbeitszeit reduzieren möchten.
Wenn Sie auf Ihren Trauerfall nicht angesprochen werden möchten, teilen Sie dies Ihrem Umfeld mit, damit diese wissen, wie mit Ihnen umgegangen werden soll.
Führungskräften und Personalverantwortlichen kann ich nur sehr raten, sich dem Thema Trauer am Arbeitsplatz anzunehmen. Aus menschlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht. Es gibt professionell ausgebildete Trauerbegleiter beim Bundesverband für Trauerbegleitung e.V., die sich zu diesem Thema spezialisiert haben und Sie gerne dabei unterstützen, eine Trauerkultur in Ihrem Unternehmen zu entwickeln.
Mein Buch zum Thema:
Trauer am Arbeitsplatz
Sprachlosigkeit überwinden – Fürsorgepflicht wahrnehmen – Trauerkultur entwickeln
Patmos Verlag